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Bei mir ankommen

von
janjan
am

Ich habe letzte Woche über Anxiety geschrieben und dass es mir teilweise schwer fällt, unverfälscht an Texten zu schreiben, ohne dabei im Kopf zu haben, was andere darüber denken könnten.

Das ist ein Thema, was mich in vielen Lebensbereichen begleitet. Ob in Beziehungen, als Gastgeber, in der Öffentlichkeit, geschäftlich, kreativ… Ich bin oft konstant am Überwachen, wie es Leuten geht und welche Auswirkungen mein Verhalten (oder Nichtverhalten) auf sie haben könnte.

People Pleasing

Ich habe mich die letzten zwei Jahre mit dem Thema People Pleasing beschäftigt und werde da in Zukunft noch mehr dazu schreiben.

Zusammengefasst: Es ist schwer für mich aushaltbar, wenn es Menschen in meinem Umfeld nicht so gut geht und ich verfalle dadurch schnell in den Modus, ihre Emotionen managen zu wollen, um mich dann wieder besser zu fühlen. Das ist oft begleitet von Annahmen, dass ich was falsch gemacht habe und das jetzt sofort fixen muss, um die Situation wieder gut zu machen. Was dazu führt, dass ich ungefragt über meine Kapazitäten gehe, was dann irgendwann zu einer Eskalation führt, wenn ich mich nicht im selben Maße (ungefragt) unterstützt fühle. Eine Abwärtsspirale.

Um dem vorzubeugen, habe ich versucht, Wege zu finden, wie ich wieder bei mr ankommen kann. Aus den Köpfen anderer Menschen heraus wieder in meinen Kopf, in meinen Körper. Kein Monitoring anderer Menschen, sondern ein Herausfinden, was ich eigentlich fühle, was mich umtreibt und was ich brauche.

Alleinsein

Ich habe Alleinsein sehr lange als etwas Negatives gesehen, als etwas Unfreiwilliges. Erst in den letzten Jahren habe ich bemerkt, dass es fĂĽr mich extrem hilfreich ist, einfach mal fĂĽr mich zu sein, abseits von externen EinflĂĽssen.

In Die Freiheit Allein Zu Sein beschreibt Sarah Diehl den Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Dass Alleinsein dabei helfen kann, möglichst unverfälscht die Welt und das Selbst zu erleben. Ich kann das Buch wirklich sehr empfehlen.

“Alleinsein ist nämlich nicht (nur) die Abwesenheit von etwas oder jemand anderem, sondern die Anwesenheit meiner ungestörten Wahrnehmung.“ - Sarah Diehl

Durch das Alleinsein können sich bei mir manchmal Dinge ordnen, die ich schon länger unbewusst mit mir herumtrage. Wie ein Wollknäuel, das einige Knoten hat, die Zeit und Ruhe brauchen, um sich zu lösen.

Manche Momente des gezielten Alleinseins haben für mich zu den heilsamsten Erfahrungen der letzten Jahre gehört. Es war sehr befreiend für mich zu lernen, dass ich auch Quality Time mit mir selbst verbringen kann. Was mich dann wiederum offener für die Außenwelt macht, weil ich erholt bin und etwas besser weiß, was mir gut tut.

“Solitude is for me a fount of healing which makes my life worth living.” - Carl Jung

Alleinsein kann aber auch ein Privileg sein. Ich wohne in einer WG, habe ein eigenes Zimmer als Rückzugsort. Ich habe flexible Arbeitszeiten und kann spazieren gehen, Texte schreiben, ins Bett gehen wann ich will. Das sieht in anderen Lebensrealitäten ganz anders aus. Nicht jede Person kann einfach mal alleine reisen gehen oder sich zurückziehen, wann sie will. Arbeit, Kinder, Pflege von Angehörigen, all das sind Dinge, die den Zugang zu Alleinsein deutlich erschweren können.

Es liegt deshalb meiner Meinung nach in unserer kollektiven Verantwortung, gemeinsam eine Gesellschaft zu schaffen, in der jede Person die Möglichkeit hat, Rückzugsräume für sich zu finden, um Kraft zu tanken, um diese dann wieder in die Gemeinschaft einbringen zu können. Weil ich denke, dass wir alle davon profitieren würden.

Alleinsein im Alltag

Da man nicht immer auf Solo-Reisen gehen oder sich länger zurückziehen kann, finde ich es hilfreich, zu schauen, wo man im Alltag ansetzen kann. Wie kann ich zwischendurch eine kleine Oase für mich erschaffen und Grenzen dann ziehen, wenn ich sie brauche, um bei mir anzukommen.

Hier ein paar Themen, mit denen ich mich auseinandergesetzt habe:

  • Low Dopamine Mornings
  • Digitale VerfĂĽgbarkeit
  • Meditation

Low Dopamine Mornings

Auf dieses Ritual bin ich durch Pia gekommen. Je mehr Dopamin man direkt nach dem Aufwachen ausschüttet (z.B. durch Social Media), desto mehr will der Körper es anscheinend auch den Tag über. Deshalb gibt es jetzt den Tiktok Trend Low Dopamine Mornings, um das zu reduzieren.

Ich fühle mich oft nach dem Aufwachen noch matschig im Kopf und merke, dass ich dann anfälliger für externe Einflüsse bin. Mein erster Griff nach dem Aufwachen war eigentlich schon immer direkt das Handy. Notifications, Instagram. Da kann es schnell mal sein, dass ich die Emotionen von einer Nachricht oder einem Post direkt aufsauge, weil ich noch nicht so ganz bei mir selbst bin.

Ich versuche aktuell, mindestens bis nach dem FrĂĽhstĂĽck nicht aufs Handy zu schauen. Und an Tagen, an denen ich schreibe, erst auf die Notifications zu schauen, wenn ich den Text fertig habe. Das klappt nicht immer, aber eigentlich aktuell ganz gut. Wenn ich morgens nicht mit Instagram starte, bin ich in den Regel den Tag ĂĽber auch weniger drauf.

Digitale VerfĂĽgbarkeit

Mein Freund Ben sagt oft, dass wir es als Gesellschaft noch lange nicht verdaut haben, was die allgegenwärtige digitale Vernetzung für Auswirkungen auf uns hat.

Neben dem vielen Input, den ich auch im Low Dopamine Abschnitt beschrieben habe, kommt auch die Verfügbarkeit hinzu. Früher hatte man gar nicht die Möglichkeit, sich tagsüber zu melden, wenn man unterwegs war. Man hat sich für abends verabredet und dann war man halt da. Heute gibt es viel mehr kleine Interaktionen und Datenpunkte zu managen. Wie schnell antwortet jemand? Sie war doch online, wieso kommt nichts zurück?

Hier ein paar Dinge, die mir aktuell helfen, mich etwas von dieser Verfügbarkeit zu lösen:

  • Vor einem Jahr habe ich eingestellt, dass ich nicht mehr sehen kann, wann jemand in Messengern das letzte Mal online war, ob meine Nachrichten schon gelesen wurden usw… Das ist ĂĽberraschend befreiend, weil es jetzt einfach keine Hirnkapazitäten mehr einnimmt.
  • Ich habe letzte Woche aufgehört, mir anzuschauen, wer meine Stories auf Instagram angesehen hat. Ganz schnell passiert es ansonsten doch, dass ich den Post aus der Sicht einer anderen Person beurteile.
  • Do Not Disturb Modus anmachen beim Schreiben oder Handy wohin legen, wo ich es gar nicht sehe. Messenger-Apps auf dem Laptop schlieĂźen.

Meditation

Meditation schließt für mich alle Aktivitäten ein, in denen ich im Moment bin und möglichst nicht aufs Handy schaue. Das sind für mich oft mal kleine Oasen im Alltag, wenn ich merke, dass ich zu sehr in meinem Kopf bin.

  • Atmung: Ruhige, tiefe Bauchatmung hilft mir dabei, kurzfristig in meinem Körper anzukommen und mich zu beruhigen.
  • Spaziergänge: Bewegung und Natur helfen mir sehr. Ich mache manchmal kleine Spaziergänge durch meinen Kiez, durch Parks und Friedhöfe.
  • Malen, Singen & Tanzen sind auch Aktivitäten, die mir helfen, bei mir selbst anzukommen und Gedanken zu ordnen. Auch wenn es nur 10 Minuten zwischendurch sind.